Trotz Anstiegs niedrige Insolvenzzahlen im Jahr 2022

Insolvenz-Höchstwert im Dezember

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im Dezember bei 879. Das ist der höchste Wert des vergangenen Jahres. Im November waren es 808 Insolvenzen, auch dies war der bis dahin höchste Wert des Jahres.

Trotz des Anstiegs liegen die jüngsten Insolvenzzahlen unter dem langjährigen Mittelwert. Im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 wurden laut amtlicher Statistik im Dezember 968 Personen- und Kapitalgesellschaften insolvent gemeldet.

Die Analyse des IWH zeigt, dass in den größten 10% der Unternehmen, deren Insolvenz im Dezember gemeldet wurde, knapp 9.000 Arbeitsplätze betroffen waren.

Sowohl die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften als auch der in diesen Unternehmen betroffenen Jobs lagen laut IWH im Jahr 2022 auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Vor dem Hintergrund zahlreicher spezifischer Probleme in der Industrie, insbesondere Lieferengpässen und hoher Energiepreise, entfielen 28% der von Insolvenz betroffenen Jobs im Jahr 2022 auf die Industrie, deutlich mehr als in den Vorjahren. Dabei war das Insolvenzgeschehen ungleich über die Monate verteilt. In der zweiten Jahreshälfte 2022 sind sowohl die Zahl der Insolvenzen als auch die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze spürbar angestiegen. Laut IWH werden für die kommenden Monate ähnlich hohe Insolvenzzahlen wie im Dezember 2022 erwartet. Im Frühjahr könnten die Zahlen saisonbedingt noch weiter ansteigen. Dennoch, so teilt das IWH weiter mit, werden trotz des erwarteten Anstiegs die Insolvenzzahlen wohl auch bis zum Frühjahr 2023 nicht über das langjährige Mittel steigen.

 

IWH-Insolvenztrend ist ein verlässlicher Frühindikator

Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise gehört das Institut bundesweit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet. Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesellschaften umfassen in der Regel mehr als 90% der von Unternehmensinsolvenz betroffenen Arbeitsplätze und 95% der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verlässlich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab.

 

Großinsolvenzen um ein Drittel gestiegen – langsamer Anstieg für 2023 erwartet

Die deutschen Unternehmen sind insgesamt gut durch das Jahr 2022 gekommen. Lediglich 217 Unternehmen mit einem Umsatz größer 10 Mio. Euro mussten einen Insolvenzantrag stellen.

Die Pleiten wuchsen zwar um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr, jedoch entsprechen sie laut einer Insolvenzanalyse der Unternehmensberatung Falkensteg dem Niveau vor der Pandemie. Der Gesamtumsatz aller insolventen Großunternehmen summiert sich in 2022 auf 11,6 Mrd. Euro gegenüber 7,7 Mrd. Euro im Jahr 2021.

 

Verzerrtes Bild der Wirtschaft

Insgesamt zeigen sich die deutschen Unternehmen angesichts der vielen Krisen robuster als erwartet. Das Gießkannenprinzip der staatlichen Hilfsprogramme, die stetigen Eingriffe in das Insolvenzrecht und nicht zuletzt die Hoffnung auf den Retter in der Not verzerren jedoch das reale Bild der Wirtschaft. Die Chipkrise, die Lieferkettenabrisse durch die chinesische Null-Covid-Politik und die explodierenden Energie-, Beschaffungs- sowie Verbraucherpreise nennen die Krisenunternehmen als Hauptursache für wirtschaftliche Schieflagen. So auch bei den größten Insolvenzen in diesem Jahr, zu denen Galeria Karstadt Kaufhof, der Autozulieferer Borgers, der Schiffsbauer MV Werften, die Schneider Gruppe, die Produkte für den Innenraum von Autos produziert, und der Dentalhändler Pluradent zählen.

 

Mehr Vertrauen in die Sanierungstools

Die insgesamt geringen Antragszahlen sehen viele Experten kritisch. Insolvenzen sind wichtig für das Wirtschaftsleben. Produkte und Mitarbeiter werden in unrentablen Firmen verschwendet, während viele profitable Unternehmen diese händeringend suchen, um mit diesen nachhaltig Gewinne zu erwirtschaften. Experten plädieren daher dafür, mehr dem Sanierungsgedanken in der Insolvenz zu vertrauen und nicht jede Krise mit Geldern und staatlichen Hilfen zuzuschütten. Deutschland steht laut Weltbank im Ranking der besten Sanierungs- bzw. Insolvenzsysteme in der Welt auf Rang 4. Die Eigenverwaltung, höhere Insolvenzquoten und die Rettung von rund 50 Prozent der insolventen Großunternehmen führen zu dieser Topplatzierung. Mit den Sanierungsmöglichkeiten lässt sich der gesunde Kern aus einem Unternehmen herauszuschälen und der lebensfähige Bereich erhalten. Erste Unternehmen denken hier um, stellen frühzeitiger einen Antrag und nutzen die auf Fortführung angelegte Eigenverwaltung. Vor Corona lag der Anteil der Eigenverwaltung gegenüber der Regelinsolvenz bei lediglich 34 Prozent. Im Jahr 2022 ist er auf 40 Prozent gestiegen.

 

Weiterer Druck durch Zinseffekte

In diesem Jahr dürften neue Krisenursachen für weiteren Druck sorgen. Nicht nur die geringe Kauflaune und weiterhin hohe Energiepreise, sondern der Zinseffekt wird bei Finanzierungen kräftig durchschlagen. Frisches Geld kostet wieder deutlich mehr Geld. Ein relevanter Teil der Umsätze wird künftig wieder für Finanzierungskosten aufgewendet werden müssen. Experten mutmaßen, dass Geschäftsmodelle, die bisher kaum Rendite erwirtschafteten, diesem Druck nicht standhalten werden. Zumal bei vielen Unternehmen nach der Pandemie die Reserven aufgebraucht sind und die Liquidität durch erstmalige Zahlungen von Zinsen und Tilgung für die Corona-KfW-Kredite zusätzlich belastet werden.

Eine Insolvenzwelle halten Sanierungsexperten dennoch für unwahrscheinlich. Zwar werde sich die Zunahme im Jahr 2023 fortsetzen, jedoch nicht plötzlich, sondern als dauerhaft ansteigend. Es werde vor allem Unternehmen treffen, die einerseits die Energie- und Rohstoffpreise nicht an die Kunden weitergeben können oder andererseits unter der Konsumzurückhaltung leiden. Die Kunden seien schon jetzt bei teurem und vermeidbarem Konsum zurückhaltend. Ferner sei ein Anstieg im Handel, Immobilien- und Baubereich sowie bei Automobilzulieferern, die aufgrund des tiefgreifenden Transformationsprozesses in der Dauerkrise stecken, ersichtlich. Es werde in einigen Branchen proportional mehr Insolvenzen geben.

 

Kranker Patient Gesundheitswesen

Erstmals könnten auch im Gesundheitssektor, speziell bei Krankenhäusern, die Insolvenzzahlen steil ansteigen. Coronabedingte Umsatzeinbußen, teure Energie und bisher vernachlässigte aber nun unaufschiebbare Investitionen in die Immobilien bringen die Häuser in schwieriges Fahrwasser. Gleich drei große Kliniken, die Imland Kliniken, das Marien Hospital in Papenburg und das Spremberger Krankenhaus, stellten sich im Jahr 2022 unter den Schutzschirm. Ferner meldeten die katholische Nord-Kreis Kliniken in Linnich und Jülich sowie die Reichenbacher Paracelsus-Klinik in den vergangenen sechs Monaten Insolvenz an.

 

Quellen: Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH); STP-Portal

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