Die Insolvenzordnung | Wieviel Krise ist erlaubt?
Der scheinbar nicht enden wollende Krisenmodus ist eine harte Zeit für Selbstständige, Unternehmer und Arbeitnehmer gleichermaßen. Die Spirale aus höheren Kosten und steigenden Preisen dreht sich immer weiter und führt so bei dem einen oder anderen zu Zahlungsstaus und Ausfällen. Während ein (vorübergehender) Zahlungsstau häufig noch zu bewältigen ist, führen dauerhaft unbezahlte Rechnungen zu Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Ein Zustand, der Unternehmer zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet, sobald die Krise absehbar ist.
Wir verraten was man unter Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung versteht und worauf juristische Personen und Unternehmen achten müssen.
Die Insolvenzordnung (InsO)
Die in Deutschland gültige Insolvenzordnung (InsO) umfasst 359 Paragrafen. Angefangen bei Allgemeinen Vorschriften und Eröffnungsvoraussetzungen, über die Insolvenzmasse und Gläubiger, Insolvenzanfechtung, Sicherung der Insolvenzmasse und Insolvenzplan bis hin zu Verbraucherinsolvenzen, die Restschuldbefreiung und Nachlassinsolvenzen sowie Internationales Insolvenzrecht regelt sie so bestenfalls jede erdenkliche Situation im Insolvenzfall.
Drei Basis-§§ beleuchten wir hier: Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung, Abweisung mangels Masse.
Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Insolvenzordnung
Nach § 17 InsO ist Zahlungsunfähigkeit gegeben, wenn es einem Schuldner nicht mehr möglich ist, fällige Zahlungspflichten zu erfüllen. Dazu werden die vorhandenen Mittel und Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Laut Bundesgerichtshof ist Zahlungsunfähigkeit gegeben, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, innerhalb von drei Wochen 90% seiner fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen (BGH, 19.12.2017 – II ZR 88/1).
Der Insolvenzgrund der Überschuldung gemäß § 19 Insolvenzordnung
Nach § 19 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das komplette Vermögen des verschuldeten Unternehmens oder einer verschuldeten Privatperson die Gesamtverbindlichkeiten nicht mehr deckt und die Fortführung des Unternehmens unwahrscheinlich ist.
Zahlungsunfähig oder überschuldet − was tun?
Schon bei den ersten Anzeichen einer dauerhaften Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sollten Sie sich Unterstützung suchen.
Juristische Personen wie beispielsweise GmbHs sind verpflichtet Insolvenz anzumelden. Dies müssen sie bereits dann tun, wenn absehbar ist, dass sie zahlungsunfähig werden.
Zudem kennt die Insolvenzordnung in § 19 InsO bei juristischen Personen die Überschuldung als besonderen Insolvenzeröffnungsgrund.
Verzögert ein Unternehmer die Insolvenzanmeldung, begeht er Insolvenzverschleppung und macht sich strafbar. Denn die Haftung ist bei juristischen Personen auf das Gesellschaftsvermögen begrenzt. Je später die Insolvenzanmeldung erfolgt, desto geringer die Aussichten, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten decken kann. Im Gegenzug steigt das Risiko der Gläubiger, ihre Forderung abschreiben zu müssen.
Feststellung der Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens
Trotz der detaillierten Definition durch den Bundesgerichtshof ist die Zahlungsunfähigkeit bei juristischen Personen nicht immer einfach zu erkennen.
Um das Ausmaß bei Unternehmen abschätzen zu können, sollte man schrittweise vorgehen:
Bereits bevor sich ein Liquiditätsengpass zeigt, kündigen sich Hinweise dafür an:
- Umsatzverluste im laufenden Geschäftsjahr
- uneinbringliche und ausstehende Forderungen
- ausgeschöpfte Kreditlinien
- notwendige Preisanpassungen oder Warenrückrufe
- unbezahlte Sozialversicherungsträger
- eingeleitete Vollstreckungen durch das Finanzamt
- nicht eingelöste Lastschriften
- ausgeschöpfte Eigenkapitalreserven
- häufige Mahnungen, Mahnbescheide, Vollstreckungen.
Der Experte spricht hier bereits von drohender Zahlungsunfähigkeit. Um sich einen Überblick zu verschaffen, sollte der Deckungsgrad fälliger Verbindlichkeiten ermittelt werden. Dazu benötigt man eine Liquiditätsbilanz. Diese stellt die liquiden Mittel des Unternehmens den Schulden zu einem Stichtag gegenüber. Als liquide Mittel gelten neben den Barmitteln in Kasse und auf Bankkonten auch sicher zu erwartende Forderungen sowie bestehende Kreditlinien. Hier können gemäß BGH nur solche Forderungen berücksichtigt werden, die tatsächlich kurzfristig vom Schuldner eingefordert werden können.
Die Abweisung mangels Masse gemäß § 26 Insolvenzordnung
Eine nicht unerhebliche Anzahl von Insolvenzanträgen wird mangels Masse abgewiesen. Doch was bedeutet das?
Nachdem ein Insolvenzantrag gestellt wurde, lässt das Gericht prüfen, ob das Vermögen des Unternehmens voraussichtlich ausreichen wird, um die Verfahrenskosten (die Gerichtsgebühren und die Kosten der Insolvenzverwaltung) zu decken. Das Insolvenzgericht weist den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken.
Ist der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden, ordnet das Gericht die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis an; es erfolgt die Eintragung der Auflösung ins Handelsregister. Ein vermögensloses Unternehmen wird dann vom Handelsregistergericht gelöscht. Sind noch Vermögenswerte vorhanden, muss das Unternehmen regulär liquidiert werden. Gläubiger können nun wieder versuchen ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung einzutreiben. Im Gegensatz zum Insolvenzverfahren besteht aber während der Liquidation kein Recht auf Rangfolge oder gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger.
Imageschaden Insolvenz
Bedauerlicherweise haftet der Insolvenz in Deutschland nach wie vor ein negatives Image an. Das Stigma des Scheiterns brennt sich in die Haut des Unternehmers ein. Doch oft sind es nicht einmal selbst zu verantwortende Umstände wie Einflüsse von außen und veränderte Märkte, die das Unternehmens ins Straucheln bringen. An dieser Stelle kann ein geregeltes Insolvenzverfahren den notwendigen Transformationsprozess umsetzen, den Erhalt des Unternehmens sichern und Arbeitsplätze retten.
Betroffene sollten sich deshalb nicht scheuen, frühzeitig Rat und Hilfe bei Experten zu suchen. In vielen Fällen kann so ein vollständiger Kontrollverlust vermieden werden.
Quelle: Insolvenzordnung
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